Berggasthaus Niedersachsen
Im Zuge des aufblühenden Ausflugsverkehrs Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Jahr 1898 das großzügige ‚Berggasthaus Niedersachsen’ auf dem Köthnerberg eröffnet. Bauherr war die Hannoversche Straßenbahn AG (Architekt Emil Werner Baule). Das Gasthaus profitierte davon, dass die ‚Elektrische’, die Linie 10, auf einer Nebenstrecke direkt bis zum Berggasthaus führte.
Eingebettet war das Gasthaus in eine vom ersten Gartendirektor Hannovers, Julius Trip, entworfene Parkanlage, als deren besonderes Merkmal die große Freitreppe herausstach. Sie stellte den
Haupteingang für den kompletten 14 ha großen Park dar, der mit einem Biergarten, Tanzfläche und Überdachungen ausgestattet war. Die Anlage war nach dem für den im 19. Jahrhundert in der
Gartenarchitektur typischen ‚Gemischten Stil’ angelegt. Der Blick von der Freitreppe, die auch heute noch vorhanden ist, ist wunderbar.
1955 musste das imposante Gebäude abgerissen werden, heute ist nur noch die ehemalige Stuhlremise vorhanden, in der sich das jetzige ‚Berggasthaus’ befindet.
Der Gebäudekomplex des Berggasthauses Niedersachsen bestand aus einem dreistöckigen Hauptgebäude sowie Nebengebäuden wie Wartehalle und Wirtschaftsgebäude. Straßenbahnwartehallen und eine
Spartanerschänke vervollständigten den baulichen Bestand. Das Hauptgebäude, ein kombinierter Massiv- Fachwerkbau, bildete mit dem herausragenden in das Gebäude integrierten Wasserturm den Mittelpunkt
der Anlage.
Der Treppenaufgang befand sich im Wasserturm. Auf jeder Etage waren offene und geschlossene Sitzplätze rings um das Gebäude herum angeordnet, so daß, je nach Höhe, ein weiter Rundblick mit herrlicher
Aussicht genossen werden konnte. Diese Plattformen konnten bis zu 280 Personen Raum geben und waren teilweise zum Schutz vor Witterungseinflüssen überdacht.
Im Inneren des Gebäudes waren die Säle und zum Teil riesige Gaststuben untergebracht.
Der Architekt E.W. Baule hatte dem Gebäude eine Gestalt gegeben, die „…teilweise in der Eigenart eines niedersächsischen Bauernhauses und der eines Tiroler Schlosses gehalten…“ war.
Das Berggasthaus Niedersachsen wurde bis zum Jahre 1939 ohne Unterbrechung bewirtschaftet.
In der Zeit des Zweiten Weltkrieges war das Berggasthaus Ausweichkrankenhaus und Lazarett. Nach dem Krieg wurde es kurze Zeit von den Siegermächten besetzt und dann ab 1949 wieder als Krankenhaus und
einige Monate später als Kinderheim des Roten Kreuzes genutzt. Nachdem 1949 die Beschlagnahmung aufgegeben war, erfuhr das Gasthaus eine gründliche Renovierung durch die Hannoversche Straßenbahn.
Jetzt entsprach das Haus wieder seinem Ruf.
Aufgrund des zunehmenden Individualverkehrs und der allgemeinen Trendwende des Geschmackes erlitt die Beliebtheit des Standortes „Berggasthaus Niedersachsen“ Einbußen.
Im Jahre 1955 mußte das Hauptgebäude aufgrund von Baumängeln abgerissen werden.
Von der Straßenbahnanlage ausgehend, die westlich des Berggasthauses verlief, erschloß sich die Anlage und das Gasthaus dem Besucher über eine großzügige Freitreppenanlage aus
Sandsteinbruchsteinen.
Die Treppenanlage führte über ein erstes Podest, das als Oval mit kleinen, eingefügten Ecken gebaut wurde und breiter als die Treppe war. Auf beiden Seiten des Ovals gingen Wege in die Parkanlage ab.
Eine Treppe in der gleichen Breite wie die untere setzte den Weg nach oben fort. Sie wurde beiderseits von breiten, etwas kniehohen Wangen begleitet. Dieser Treppenbereich erinnerte an ein Bild
italienischer Gärten, die um 1900 dem „modischen Trend“ entsprachen.
Auf der dritten Ebene wurden Gäste bewirtet, ein Zelt überspannte die Mitte des Aussichtsplateaus. Es hatte ein leicht gewölbtes Dach und wurde wahrscheinlich von einem eisernen Gerüst getragen. So
konnte diese Terrasse bei gutem und schlechtem Wetter genutzt werden, von hier war ein weiter Blick über das Land zum Deister gewährleistet.
Der Platz vor dem Gasthaus wurde in einer regelmäßigen Anordnung mit Kopfbäumen (vermutlich Linden) bepflanzt und wurde ebenfalls als Kaffeegarten genutzt. Die Mittelachse wurde freigelassen, um
einen ungehinderten Blick vom Gasthaus Niedersachsen in die Calenberger Landschaft zu gewährleisten. Später, vermutlich in den dreißiger Jahren, wurde in diese Schneise eine schwarz-weiß karierte
Tanzfläche eingelassen.
aus: Heimatkundliche
Blätter 6, Stadt Gehrden (Hrsg.), 1993
Auf Niedersachsen
Dort, wo die Gehrdner Berge grenzen
Berggasthaus Niedersachsen liegt,
wo sich so oft bei Spiel und Tänzen
die lebensfrohe Jugend wiegt.
Freund Bernhard ist der Wirt im Hause, -
Er grüßt nach Niedersachsenart
den Gast in seiner schönen Klause,
der einkehrt dort nach froher Fahrt.
Des Sommertages ist der Garten
der allerschönste Aufenthalt.
Unendlich viele sich hier scharten
nach ihrer Wandrung durch den Wald.
Das Land zu Gehrdner Berges Füßen
bis Neustadt und der Leine hin,
und wo die Deisterberge grüßen,
ist ganz nach Wanderburschen Sinn.
Vom Herzog Erich „ist das feine
Sprichwort noch heut’gen Tags bekannt;
Land zwischen Deister und der Leine
dat rechte is im Heimatland.“
Von diesem schönen Stückchen Erde
send’ ich den Gruß ins Land hinein.
Wer frei von Sorg’ ist und Beschwerde,
steig’ tüchtig in Kanne rein!
Eigene Melodie. Auch: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“.
Dieses Gedicht findet sich auf der Rückseite der Ansichtskarte
von Hermann Strodthoff
Dort, wo in Maiengrün getaucht
Mit tausend Blütenkränzen,
Von Duft und Farben sanft umhaucht
Die Bergeskuppen glänzen;
Dort halt ich Rast, es singt und klingt,
Und meine Kräfte wachsen;
Gehüllt in Märchenzauber, winkt
Das Bergschloß „Niedersachsen“.
In seinem Schatten am Portal
Laß ich mich sinnend nieder;
Im Fliederbusch die Nachtigall
Singt ihre alten Lieder.
Im Römer blinkt der gold’ne Wein
Mit seinen Zaubergaben,
Er flüstert mir vom deutschen Rhein:
„Sie sollen ihn nicht haben!“
O, Maienzauber! Deine Macht
Hat dort mein Herz bezwungen,
Wo Lyra einst des Frühlings Pracht,
Den deutschen Lenz besungen!
Du deutscher Lenz, wirst neu die Welt
Nach Not und Tod gestalten,
Wirst siegreich wie der Sonnenheld
Einst deinen Einzug halten!
Hannover, Mai 1917
Vom Berggasthaus Niedersachsen gibt es die vielfältigsten Ansichtskarten von ganz Gehrden. In meiner Sammlung befinden allein von diesem Motiv über 100 verschiedene Karten, dazu kommen noch ungezählte Variationen in Schriftart, Schriftfarbe, Motivfarbe usw.
Um einen kleinen Einblick in die Vielfalt der Ansichtskarte von 'Berggasthaus' aus der damaligen Zeit zu vermitteln, habe ich hier eine Anzahl von Druckstücken angefügt.