Margarethenkirche

Margarethenkirche 1900 - Ausschnitt aus einer Lithographie

In der Stadtmitte auf einer kleinen Anhöhe gelegen, ist die Margarethenkirche das älteste Gebäude der Stadt. Nach einer alten Nachricht ist ihre Vorgängerin in der Zeit, in der erstmals viele Kirchen auch auf dem flachen Land entstanden, im Jahr 1098 (oder vielleicht 1089) vom damaligen Mindener Bischof gebaut worden, sicher in Fachwerk. In den umliegenden Dörfern gibt es bis heute Kapellen in dieser traditionellen Fachwerkbauweise (Lemmie, Northen, Redderse).

Das Bauen in Stein drang nur ganz allmählich aus den Zentren in das Land vor. Erst um 1250, im Übergang von der Romanik zur Gotik, wurde eine Steinkirche errichtet. Sicher war sie das erste steinerne Gebäude in Gehrden, ein stattlicher Bau, dessen Ausmaß der Turm verrät! Er ist damit ein besonderer Zeuge unserer Geschichte.

Margarethenkirche 1955 - Ausschnitt aus einer Ansichtskarte

Denn wir können uns nur schwer vorstellen, wie klein und vereinzelt die Orte inmitten der übermächtigen Waldwildnis lagen und was es für die Menschen bedeutete, ein solches Bauwerk in ihrer Mitte zu haben. Es war ein eindrückliches Zeichen dafür, wie Kultur das Leben zu durchdringen begann.

Bei einem verheerenden Brand in der Stadt im Gefolge einer Fehde zwischen welfischen Herzögen und den Hansestädten 1467 wurde auch die Kirche zerstört. Der Turm blieb erhalten. Eine neue Kirche in gotischem Stil mit vier Kreuzgewölben wurde angebaut, von denen eins den rechteckigen Chorraum bildete. Im Inneren entstand so der Eindruck eines harmonischen, geschlossenen Raumes, der den Blick des Eintretenden nach vorne in den Altarraum zieht.

Rund um die Kirche liegt der alte Kirchhof. Einige Grabsteine sind noch erhalten. Bis 1850 wurden hier alle Toten beigesetzt. Es war der Wunsch, seine Toten so nah wie möglich am Heiligen zu bestatten. Priester bekamen ihren Platz im Altarraum, Adlige in der Kirche.

Der Turm ist ein Wehrturm. Die Schießscharten verraten es. Die Turmhöhe beträgt 32,80 m. Zu sehen sind neben der Tür im Haupteingang die Löcher, in die Balken eingeführt wurden, um die Tür zu verrammeln. Die Wände sind 1 m dick, der Sockel aus Bruchsteinen 1,20 m hoch. So bot der Kirchraum der Bevölkerung Schutz auch bei feindlichen Überfällen.

Dem ursprünglich schlichten Walmdach des Turms wurde nach 1467 ein Treppengiebel aufgesetzt, ein Symbol aufstrebenden Bürgerturms (siehe das Rathaus in Hannover). Er ist zum Wahrzeichen der Stadt geworden. Die Stadt trägt ihn in ihrem Wappen. Im Jahr 1679 wurde das Turmdach mit einem Dachreiter bekrönt.

Im Turm hängen drei Läuteglocken (f, ges, as), darunter eine der ältesten in Niedersachsen von 1355. Diese Glocke hat zweimal einen Riss bekommen. Sie wurde im Jahr 2000 wieder repariert. Durch schonendes Geläut und das Aufhängen im traditionellen Holzjoch wird sie hoffentlich noch lange Zeit klingen.

In dem Bogenfeld über dem Eingangsportal, dem sogenannten Tympanon, ist die Gestalt des segnenden Christus auf dem Thron Gottes mit einem Buch in der Linken dargestellt. Diese Konzentration auf den segnenden Christus, ohne weitere Gestalten um ihn herum, ist ein relativ seltenes Motiv.

Es hat seinen Ursprung im 12. Jahrhundert, einer Aufbruchszeit, und zeigt eine wachgewordene Erwartung, dass alles Bemühen um Leben und Kultur gesegnet sein kann.

Links und rechts neben der Eingangstür finden sich Schleifrillen in Säulen und Mauerwerk. Sie haben die Phantasie der Menschen angeregt. Es seien da die Krallen des Teufels zu sehen, der einer Seele erfolglos nachgejagt sei, die sich in die Kirche retten konnte. Vielleicht haben die Bürger dort ihre Spieße scharfgemacht, wenn sie sich zu einem Kampf versammelten. Eine gesicherte Deutung gibt es bisher nicht.

 

aus: Margarethenkirche Gehrden, Vorsitzender im Kirchenvorstand der Ev.-lutherischen Margarethengemeinde in Gehrden (Hrsg.)

1905 - Kirchthurm

Der nachfolgende Text ist die Abschrift einer Urkunde, die beim Öffnen der Turmkugel der Margarethenkirche am 13. Oktober 2003 darin enthalten war. Zwei weitere Blätter, eines vom 24. September 1925 (noch lesbar), das andere möglicherweise mit dem Datum 1836-37, sind so stark vergilbt und verblasst, dass der Text nicht mehr zu entziffern war. Das Original befindet sich im Stadtmuseum Gehrden.

 

Gehrden, 4. Juni 1902

 

Nachdem bei einem Sturm um Ostern 1902 die Windfeder auf dem Turme unbrauchbar geworden war, ist die Turmspitze am 2. Juni desselben Jahres durch den Dachdecker Ludewig Homeyer und den Klempner Katz mit Vornamen Georg unter Beihilfe des Dachdeckermeisters Friedrich Homeyer sen. abgenommen worden. Bei Öffnen des Turmknopfes fanden sich nur noch die Münzen erhalten, alles übrige war vermodert, doch waren die Namen der Familie von Reden noch zu lesen. Die alten Münzen, besonders die schönen Thaler werden jetzt dem Turmknopf wieder einverleibt, dazu einige neue Münzen.

 

Die Geistlichen sind: P. primus W. Funke aus Menslage und p. sec. D. Holste aus der Parochie Visselhövede. Kirchenvorsteher sind Friedrich Hische Hofmeister, Heinrich Grefe ¾ Meier, Heinrich Homann Vollmeier, aus Lemmie Halbm. Friedrich Narten, aus Redderse Heinrich Schmedes, aus Ditterke Friedrich Bähre. Außerdem gehört Baron Otto von Reden als Patron der 2ten Pfarre dem Kirchenvorstand an.

 

Lehrer sind: Kantor Gustav Steding, Küster Conrad Bühring, Adolf Jahn, August Kageler, Paul Weber.

 

Schulvorsteher: Schmied Christian Eicke, Drechsler Georg Meyer, ¾ Meyer Heinrich Grefe, Halbmeier Philipp Knölke.

 

Magistrat: Bürgermeister Aug. Pott, Kämmerer Friedrich Meinecke, Senator Wilhelm Narten, Bürgervorsteher Friedrich Bähre, August Sewig, Friedrich Eicke, Friedrich Biester, Ludwig Wendland. Engelhard Dannheim.

 

Nach der letzten Zählung hat Gehrden 1754 Einwohner, Lemmie 266, Redderse 279, Ditterke 192. Israeliten waren außerdem vorhanden 32, Reformierte 9, Katholiken 60. Getauft sind 1901: 98 Kinder mehr als je zuvor. Der Monat Mai 1902 hatte nur 3 tage ohne regen, fast immer musste man anheizen. Anfang Juni folgte eine drückende Hitze 23 – 24° R(eaumur). Es wurde bei Reparatur der Windfeder gerade der traurige Krieg der Engländer gegen die Buren beendet.

 

                                                                                           W. Funke P(astor)

1911 - Kirche und Kaufhaus Homann
1918 - evangelische Kirche
1918 - evangelische Kirche (Künstler-Ansichtskarte)

Text auf der Kartenrückseite:

 

Turm aus dem 13. Jahrh., Treppengiebel dess. u. Schiff aus späterer Zeit. Dachreiter um 1830 erneuert. Prächtige Glocke von 1855. An der Westseite sehensw. Potal. Auf dem Kirchhofe alte Grabsteine. Am Pfarrhause Denktafel für Pastor Lyra, der u.a. "Der Mai ist gekommen" vertonte.

um 1920 - Kaufhaus F. Homann und evangelische Kirche
um 1930 - Evang.-luth. Kirche zu Gehrden (Künstlerkarte)

Auf dieser alten Karte ist in der Mitte das Kriegerdenkmal zu sehen. Das Monument, dessen Inschriften nur noch mühsam zu lesen sind, erinnert an die gefallenen Soldaten im deutsch-französichen Krieg 1870/71. Erbaut worden ist es vermutlich 1873, seit 1909 steht es an der Margarethenkirche.

um 1930 - Evang.-luth. Kirche zu Gehrden - der Altarraum
1925 - Steinwegstraße und Evangelische Kirche

um 1925 - Blick in den Steinweg

 

Ganz links am Rand sieht man noch die Ecke der so genannten 'Poppenburg', dann das ehemalige Schul- und Lehrerhaus. Hier schon von den 'Bersteins' im Erdgeschoss mit Schaufenstern als Geschäftslokal umgebaut.

Danach Wilhelm Nartens Haus, später Drogerie Röttger.

In der Mitte das Kaufhaus Homann.

 

Ein schönes Foto der Margarethenkirche von der, wie die Kirchstraße damals noch hieß, Kirchhofstraße.
1934 - ev. Kirche mit Kriegerdenkmal
1940 - Steinweg mit ev. Kirche
Das Bogenfeld über dem Haupteingang der Margarethenkirche - Foto von 1940
Portal im Jahr 1943
Die romanische Taufschale
Margarethenkirche 1956, Zeichnung: Alfred Brecht
Margarethenkirche - Innenaufnahme mit Altar
Die noch efeubewachsene Margarethenkirche im Jahr 1964.
Das Portal (1964)

 

 

 

Margarethenkirche – die „dritte Glocke“

 

Im Turm der Margarethenkirche hatte es in früheren Zeiten schon lange eine „dritte Glocke“ gegeben. Sie wurde die „kleine“ Glocke genannt. Sie hatte ein wechselvolles Schicksal. 1661 war sie geborsten und der Meister Hans Meier, Stück- und Glockengießer zu Hannover, fertigte eine neue. Diese ist dann bereits 1707 wieder geborsten. Sie wurde durch den Glockengießer Thomas in Hannover eingegossen. Unten am Glockenrand stand die Inschrift: „Ich lasse meinen Schall nur bei der Leichen hören und in der Fastenzeit zu denen Kinderlehren!“ 1914 musste diese Glocke zu Kriegszwecken abgeliefert werden.

 

Seitdem ist der Glockenstuhl der Kirche leer geblieben. Nun gingen über 50 Jahre ins Land. Doch nach einem Urteil des Glockenrevisors war das geschichtlich und auch klanglich bemerkenswerte Geläut der Gehrdener Margarethenkirche unvollständig. Wörtlich hieß es damals in einem Gutachten: „Bei einer Kirche dieser Größe und Bedeutung wie in Gehrden kann man ein so verstümmeltes Geläut eigentlich gar nicht mehr verantworten. Ein Dreigeläut hat ja nicht nur eine intensivere Gesamtwirkung, es bedeutet in liturgischer Hinsicht vor allem ganz andere Variationsmöglichkeiten. Es wäre dem altehrwürdigen Gotteshaus sehr zu wünschen, daß es bald zu einem vollen Geläut käme“. Daraufhin ergriffen die Konfirmanden des Jahres 1963 und 1964 die Initiative und führten eine Sammlung für die neue Glocke durch, dazu kamen Kollekten und Spenden einzelner Gemeindemitglieder.

 

So konnte der Kirchenvorstand im Juni 1964 den Guss der Glocke in Auftrag geben. Die Glocke wurde bei der Firma Gebrüder Rincker, Sinn (Dillkreis) gegossen. Sie hat einen Durchmesser von 1,05 m und den Glockenton ‚as‘. Ihr Gewicht beträgt 730 kg. Ihre Inschrift lautet: „Dona nobis pacem“ („Schenke uns deinen Frieden“). Das Wort entstammt dem Lied vor der Austeilung des Heiligen Abendmahles, dem agnus die. Es soll den Schmerz über die Kriege in der Welt und die Sehnsucht nach dem Frieden, der von oben kommt, zum Ausdruck bringen.

 

Bild oben: Die "Dritte Glocke" kurz vor dem Hochziehen in den Glockenturm. Daneben die Pastoren Bruns und Glasenapp.

 

Die Margarethenkirche im Jahr 1967.
Weihnachtskarte 1960
1980 - Margarethenkirche (Ansichtskarte)
Foto: Margarethenkirche 2011

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