Ratskeller und Marktplatz
Ratskeller und Beikrug
Der im historischen Kern von Gehrden gelegene Ratskeller wurde erstmals im Jahr 1586 erwähnt und kann somit auf ein stolzes Alter von 430 Jahren zurückblicken. Man kann aber mit Sicherheit annehmen, dass seine Geschichte noch wesentlich weiter zurückgeht, denn schon 1298 wurde mit der Verleihung der Gerechtsame eines Fleckens durch Graf Adolf von Schaumburg und Holstein der Grundstein für die Selbstverwaltung gelegt.
Die erste Erwähnung von Ratskeller und Beikrug geschieht in der Vergleichsurkunde des Jahres 1586. Sie nennt Keller und Gildestedte oder Schenke. Den Gehrdenern werden an Berechtigungen angewiesen u.a. „uf ihrem freyen Keller, daruf die allerhandt Bier und Breyhanen schengken zu lassen … Ferner, das die von Gerden hinfüro die angezogenen Freyheit ihrer Schengke und Gildestedte … als sie das von Alters hergebracht, behalten und ersitzen, auch die an denen Orten begangenen Excesse nach üblicher Gewohnheit zu straffen“.
Zwar ist das Haus mit der Adresse „Am Markt 6“ heute ein Hotel und Restaurant, jedoch hat der Rat der Stadt Gehrden auch heute noch das Recht, die alte Ratsstube zu benutzen. Eine entsprechende Verfügung ist im Grundbuch der Stadt Gehrden als Sicherung mit folgendem Wortlaut eingetragen: „Das ausschließliche Recht des Magistrats in Gehrden zur Benutzung der Ratsstube während der Sitzung des Magistrats und Bürgervorsteherkollegiums, des letzteren allein und der Gemeindeversammlungen, ferner des ausgebauten kleinen Zimmers zur Aufbewahrung von Akten oder beweglichen Eigentums des Magistrats und das Recht des Durchgang zu diesem Zimmer von der Ratsstube aus nach dem Vergleiche von 3./23. März 1880. Eingetragen am 10. März 1883.“ Der heutige Rat macht von diesem verbrieften Recht auch heute noch Gebrauch und hält in der im oberen Geschoss des Hauses gelegenen gemütlichen Ratsstube einmal im Jahr eine Sitzung ab.
Die Überlieferungen der Geschichte des „Ratskellers“ sind infolge des mehrfachen Besitzerwechsels recht mangelhaft. Noch vor dem Jahr 1900 kam die Gaststätte, die sehr lange Zeit auch als Pferde-Ausspann-Stätte und auch dem Postwechsel diente, in den Besitz der Familie Löchner. Im Jahr 1962 pachtete das Gastronomen-Ehepaar Thea und Heinz Gröne den Betrieb, der 1966 in ihren Besitz überging. Seit Jahrzehnten finden dort Vereinsveranstaltungen, Familienfeiern und Hochzeiten statt. An der Stelle des heutigen Bistros „Linie 10“ existierte früher eine vollautomatische Kegelbahn - vor 1900 war es eine überdachte Gartenanlage.
Das zweitälteste Gebäude der Stadt, nach der Margarethenkirche, hat also eine bewegte Geschichte hinter sich.
Ratskeller-Pächter
1739 Sonnenkalb
1750 – 1755 Brauer Friedrich Seegers
1759 Krüger Johann Wilhelm Meyer
1782 Georg Peters
1796 Friedrich Kiene
1807 Conrad Garbe
1808 – 1809 Vollbrauer Johann Lange
1814 Gerhard Hoppenberg
1817 – 1828 Daniel Homann
1838 – 1844 Daniel Homann
1852 – 1857 Krüger Gottlieb Beckmann
1858 – 1861 Walterstein
1862 - 1863 Klünder
1863/70 Familien Borsum und Kiene
1876 Heinrich Löchner
1962 Pächter Thea und Heinz Gröne
1966 - 1991 Inhaber Thea und Heinz Gröne
1991 – 2016 Friederike Gröne und Eckart Stegemann
2016 – heute Kiraz Ünlü
Historische Hintergründe
aus: Martina Grohmann, Gehrden - Aspekte der Ortsgeschichte
Eng verbunden mit dem Brauwesen waren der Ratskeller und ein zweites, Nebenkrug genanntes, Lokal. Beide gehörten dem Flecken und die Pachtgelder dieser zwei Wirtschaften flossen in die Kämmereikasse. Der Pächter des Ratskellers durfte das ganze Untergebäude, ausgenommen der Mültzekammer, in der das Malz gelagert wurde und die dem Rat gehörte, nutzen. Der Pachtkontrakt umfasste zwei Stuben, zwei Kammern, die Küche, den Keller und die Schankbude, dazu kam noch eine Futterkammer und das zum Ratskeller gehörige Stallgebäude sowie ein Garten an der Landwehr vor dem Kötnerberg. Im Ratskeller durfte Bier und Broyhan, Branntwein und Wein sowie Kaffee ausgeschenkt werden. Außerdem war dem Kellerwirt gestattet, mit anderen Kaufmannschaften oder Hokenwaren zu handeln, um dadurch das Einkommen aufzubessern. Hierzu zählen vor allem Kurzwaren. Der Handel mit Kaffee war durch eine landesherrliche Verordnung aus dem Jahr 1780 verboten. Er durfte nur als Getränk in der Gaststube ausgeschenkt werden. Reparaturen am Ratskeller übernahm der Rat, falls der Pächter Mängel rechtzeitig anzeigte. Der Pächter durfte drei Kühe und vier bis sechs Schweine ohne Hirtenlohn auf die Gemeinheit bringen, und wenn Mast anfiel, durfte er ein Schwein umsonst in die Fleckensholzung treiben. Er war verpflichtet, auf Feuer und Licht in seinem Haus zu achten und haftete mit seinem gesamten Vermögen für eventuelle Schäden. Außerdem musste der Kellerwirt darauf achten, dass in seiner Wirtsstube keine Hazardspiele, Glücksspiele, getrieben wurden. Es verstand sich von selbst, dass im Ratskeller und im Nebenkrug nur Gehrdener Bier und Broyhan verkauft werden durften. Die Pachtpreise waren in zwei Raten, einmal zu Ostern, das andre Mal zu Michaelis, zu zahlen. Die Höhe der Pachtsumme variierte, stieg aber im Laufe der Jahre kontinuierlich an.
Im Jahre 1765 wurde dem Ratskellerpächter Johann Wilhelm Meyer eine Remission der Pachtsumme gestattet, weil ihm durch die Branntweinbrennerei des Lambertus Bruer Konkurrenz entstanden war. Dieser hatte in einem Schreiben vom 17. Oktober 1759 die Geheimen Räte gebeten, ihm die Erlaubnis für den Betrieb einer Branntweinbrennerei in seinem Hause zu geben. Als Begründung führte er an […] daß ich nicht im stande bin, vor meine Frau und Kinder das kümmerliche Brodt zu erwerben. Eine andere Verdinestmöglichkeit gebe es für ihn nicht, da die Möglichkeiten auf dem Land sehr gering seien. Er habe auch schon die Branntweinbrennerei an einem feuersicheren Ort in seinem geräumigen Haus eingerichtet. Bürgermeister und Rat hätten, nachdem sie die Sache begutachtet hätten, nichts dagegen einzuwenden. Falls ihm die Branntweinbrennerei nicht gestattet würde, müsste er sein Haus verkaufen. Auch das Amt Calenberg setzte sich für das Gesuch des Lambertus Bruer mit einem Empfehlungsschreiben vom 13. November 1759 ein. Am 24. November 1759 erteilten die Geheimen Räte die Konzession für die Branntweinbrennerei. Im Jahre 1767 stellte Lambertus Bruer seine Brennerei wieder ein, die Gründe dafür sind nicht bekannt.
Das Haus ganz rechts ist die damalige Bäckerei Nikulka, später war es das 'Café am Markt' von Kohlenberg. Daneben Bauer Knölke und Kreipe, abgerissen 1973. Dort stehen heute die 'Raths-Apotheke' und die Post.
Im Haus hinter dem Baum (damals Kaufhaus Engelke) war dann später der Laden Deppe. Dort konnte man auch immer noch "lose Milch" kaufen, also in der Kanne. Dort war die Frau Willner, die eine geborene Deppe war und somit die Schwester von der Frau Deppe, die das kleine Lädchen in der Gartenstraße hatte (eine große Stufe musste man da hoch). Gleich daneben war die Eisdiele.
„In dem Buch „Geschichte der Stadt Gehrden“ von August Kageler findet man die Erwähnung einer Vergleichsurkunde vom Ratskeller und Beikrug aus dem Jahre 1586. Der Ratskeller gehörte in der
damaligen Zeit den Gehrdener Bürgern. Ebenso die „Gerechtigkeit“, Bier zu brauen, gehörte zum Ratskeller. Der Ratskeller wurde in der Regel alle 4 Jahre neu verpachtet. So betrug die Jahrespacht 1844
185 Taler, zu zahlen an die „Cämmerey“ des Fleckens Gehrden. In den Jahren 1865/70 wurde der Ratskeller käuflich erworben durch die Familien Borsum und Keine. Anno 1876 übernahm die Familie Heinrich
Löchner den Ratskeller bis zum Jahre 1966.
Der Ort Gehrden war Ausspannstation für Postkutschen und Fuhrwerke aller Art und war u.a. letzte Postspedition im Königreich Hannover. Anno 1897 wurde über den Stallungen und der Remise (hinterer
Gebäudeteil) ein großer Saal errichtet, vier Jahre später der Kegelbahn-Fachwerkteil angebaut. Vorher wurde noch im Freien gekegelt, nur durch ein Überdach geschützt.“
aus einer alten Speisekarte des „Ratskeller“:
Links im Bild ist noch das Haus Schaumann zu erkennen, das im Jahr 1970 abgerissen wurde. Der Marktplatz vergrößerte sich dadurch.
Vor dem Ratskeller stand auf dem Marktplatz seit den 30er Jahren der plätschernde Brunnen des Hannoverschen Künstlers und Bildhauers Professor Ludwig Vierthaler. „Knabe mit Fisch auf der
Weltkugel“ nannte er diese Arbeit.
Durch die Marktplatzumgestaltung und den Bau der Fußgängerzone verschwand der Brunnen im Februar 1974 und geriet in Vergessenheit. Seit Mai 2011 steht der Brunnen wieder auf seinem alten Platz.